Herma Blum, vom 15. Juli bis zum 15 August 1965.
Herma Blum - Meisterin ihres Faches
Ausstellung von kunsthandwerklichen Arbeiten mit erfreulich hohem Niveau im
"studio 18" eröffnet
AHLEN. Am Donnerstagabend eröffnete der stellv. Bürgermeister Faust im "studio
18" eine Ausstellung von kunsthandwerklichen Arbeiten der Ahlener Webmeisterin
Herma Blum. Die Ausstellung, die durch keramische Schöpfungen aus der Werkstatt
Balzar-Kopp zu einer schönen Einheit ergänzt wurde, legt Zeugnis ab von einem
erfreulich hohen Stand kunsthandwerklichen Wirkens zweier Handwerksformen, die
zu den ältesten selbständigen Handwerkszweigen gehören.
Faust erinnerte in seinen Begrüßungsworten an jene schwere Zeit nach Kriegsende,
als die Webmeisterin Herma Blum den Neuaufbau ihrer Werkstätte erkämpfte. Die
Meisterin ist keine Münsterländerin. Sie gibt sich ganz
rheinisch-temperamentvoll. In Düsseldorf geboren, verlebte sie wie ihre
Schwester, die Medaillenentwerferin Anita Blum-Paulmichl, ihre Jugend in Kleve.
Mehrfach zeigte die kunstliebende Heimatstadt in Ausstellungen die Werke Herma
Blums, unlängst auch die Medaillen ihrer Schwester.
Es ist einem Zufall zu verdanken, daß die Künstlerin Herma Blum nach Beendigung
des Krieges auf der Rückfahrt aus einem kleinen mitteldeutschen Dorf nach Kleve
ausgerechnet in Ahlen der Brennstoff des Autos ausging. Herma Blum baute in
zähem Ringen in zwei Räumen im Garten der Gaststätte Münstermann eine große
Werkstatt auf, in der nicht nur zahlreiche Werkstücke entstanden sind, sondern
auch manches junge Mädchen in der Kunst des Webens unterwiesen worden ist.
Eine Ausstellung, wie sie jetzt im "Studio 18" gezeigt wird, ist um so
begrüßenswerter, als sie zum Nachdenken anregen könnte, über die Zielsetzung und
Stellung des heutigen Handwerks, das leider häufig durch die Trennung in
entwerfende "Künstler" und ausführende Facharbeiter seines Sinnes entfremdet
wurde.
Hier nun lacht einem gleich beim Betreten des Ausstellungsraumes eine solche
Fülle gediegener Schöpfungen edelster, handgestalteter Kunst entgegen, geschickt
ausgestellt und vor Überfülle bewahrt, daß dem Besucher die Leistung der
Handweberin Herma Blum einfach bewußt werden muß. Herma Blum ist eine Meisterin
ihres Faches in der ursprünglichen Bedeutung eine Erfinderin, die
Handgestaltetes ersann, manchmal als vorgefaßte Komposition in Kohle entworfen, in anderen Fällen der augenblicklichen
Intuition folgend. Die Wandbehänge sind von solch feinklingender, einheitlicher
Farbigkeit, von solch tiefer, von innen her kommender Leuchtkraft, daß sie
direkt und unmittelbar froh machen.
Da wäre jener lustige Wandbehang mit den Vögeln zu nennen, die auf schwingend
anschwellenden Pflanzen schaukeln, in feinsten Grünstufen gehalten, vom
zartesten hellen Gelbgrün bis zum kalten, tiefen Blaugrün, nur sparsam mit dem
Rotgegensatz gearbeitet, dabei bewußt die dramatische Farbspannung ausstrahlend,
aus dem der lustige Behang in der Nebenkoje aufgebaut ist. Oder die letzte
Arbeit, helle zarte Fische auf der Tiefe des schwarzen Blau.
Im allgemeinen findet zum Kettfaden nur maschinengesponnenes Garn Verwendung.
Die Meisterin spinnt selbst. Manchmal legt sie ungesponnene Fäden als besondere
Effekte ein. Wichtig ist auch, daß Herma Blum die Wolle selbst einfärbt,
manchmal Tag und Nacht um feinste Tonstufen kämpft.
Die sparsam hinzugefügten Keramiken aus der Werkstatt der Familie Balzar-Kopp
ergänzen das Bild der Ausstellung, handelt es sich doch um echte handwerkliche
Gestaltung. Man fühlt geradezu das Umfassende des auf der Töpferscheibe
gedrehten Kruges, der, trotz aller Kunstform, doch der Aufgabe des Aufnehmens
gerecht wird; ausgezeichnet empfunden der Spannungsgegensatz von gestreckter und
gerundeter Form, von Fuß- und tragendem Henkelansatz. Auch die reine Plastik
geht von der ganzheitlichen Rundung der geschlossenen Form aus.
Der geschichtliche Rückblick ist etwas mager ausgefallen, aber hierfür gibt es
einleuchtende Gründe. Die Versicherungsgebühr für kunsthistorisch wertvolle
Keramik ist sehr hoch, sie konnte von den Ausstellern nicht getragen werden.
Durch die Ausstellung führt Oberstudienrat Schweizer in sachkundiger Form.
Bericht aus der AV von Hermann Schweitzer, Foto Golz
Handwebkunst und kostbare Keramik im "studio 18"
In Ahlen wurde die Ausstellung der Meisterin Herma Blum eröffnet
Ahlen. "Ich bin wieder da", strahlte Herma Blum und freute sich der Freundschaft
derer, die, ein auserwählter Kreis von Zugeneigten für diese köstlichen Gaben
aus den Kunstwerkstätten in der Weststraße 86, zur Eröffnung ihrer Ausstellung
ins "studio 18" gekommen waren. "Eine schöne Ausstellung in einem schönen Raum",
kennzeichnete treffend der frühere Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer
Münster, Dr. Kahrmann, dieses 4. Ausstellungsereignis in der Hellstraße bei
Werner Fischer. In der Kulturarbeit der Handwerkskammer hat Herma Blum seit
langem den Rang einer hochgeschätzten Ratgeberin.
Sogar international war die Anteilnahme an diesem Eröffnungsabend: Von der
Sorbonne in Paris war Mademoiselle Monique Gelpe dabei, aus dem afrikanischen
Ghana kam — nicht der Ausstellung wegen, aber an ihr sichtbar, Gast in Ahlen,
interessiert — der Goldschmiedemeister Mr. Rudolf King. Auch der Direktor der
Universitätskliniken Münster, Reichling, bekundete durch sein Erscheinen der
Ahlener Handwebmeisterin liebenswürdigen Respekt. *JMhi
Es fehlten aus dem Ahlener Freundschaftskreis der Künstlerin nicht Dr. Wilhelm
Hartmann, der, ebenso wie bei der eben geschlossenen Ausstellung seines
Maler-Bruders, nun auch Herma Blum mit Rat und Tat bei den Vorbereitungen
assistiert hat, und es kam
Friedrich
Schiller, klangvollen Namens und getreuer Hüter der Schätze heimatlicher
Tradition in Ahlen.
Ahlens stellv. Bürgermeister Herbert Faust erinnerte sich in seiner
Eröffnungsansprache jener Zeit um 1945/49, als Herma Blum, der "auf der Flucht
der Sprit in Ahlen ausgegangen war", von der Kolpingfamilie verständnisvoll
unterstützt, unter so gar nicht förderlichen Umständen neu begonnen hat. In
einer "uralten, jetzt abgerissenen Kegelbahn" vollzog sich dieser Beginn, später
dann bei Paula Münstermann in der Weststraße - "man solle diese Zeit nicht
vergessen", wenn man nun im neuen schmucken "studio" sieht, was Herma Blum aus
ihrem Schaffen zu präsentieren hat: "Soviel Schönes und glänzend Gelungenes":
Dies in der Tat sei geeignet, jedes Heim zu verschönen.
"Daß Sie es geschafft haben", war Inhalt des Glückwunsches des Repräsentanten
der Stadtverwaltung und des Rates. Dies sei nun, nach allem Leid, wieder "mit
blitzenden Augen, frohem Temperament und ungebrochener Energie" jene
wohlbekannte Herma Blum, der alle Freundeswünsche herzlich gelten.
Große Skala der Farbstufen
Fachlich und sachlich würdigte Ahlens Kunst-Studienrat und eigenwilliger Maler,
Oberstudienrat Schweizer, das in dieser Ausstellung reichhaltig Dargebotene,
"dem Wunsch der Künstlerin folgend und dem eigenen Triebe".
Auch hier, wie beim Maler und Graphiker Norbert G. Hartmann, sei zutreffend:
"Zufall ist, was einem zufällt, und nun kommt es nur darauf an, was man daraus
macht." Etwas "daraus" zu machen, habe Herma Blum meisterlich verstanden.
Schweizer spürte dem Schaffensweg Herma Blums bis in die technischen
Entwicklungen nach, anerkannte die "klare farbliche Disposition, die der
Spannungen nicht entbehrt", zeigte an Beispielen die "große Skala der
Farbstufen", insbesondere die "ganz feinen, neuen Blau-Schattierungen".
Er erinnerte an Herma Blums kongeniale Vertraute, ihre Schwester Anita, die eben
in Kleve erfolgreich ausstellende Medaillenkünstlerin, und an ihren Mann, R. Paulmichl, den so bescheidenen, liebenswerten Ahlener Mann, Robert Paulmichl,
den so bescheidenen, liebenswerten Ahlener Bildhauer. Er hat ja auch für die
Schwägerin einen Entwurf geschaffen, den sie "ausgewebt" und der im Sitzungssaal
des Arbeitsamtes seinen Platz hat.
Schöpfungen der Keramik
Der zweite Teil der Ausstellung, die bis zum 8. August gezeigt wird, ist der
Töpferkunst, der Keramik, gewidmet. Daß nicht noch mehr Historisches hier
aufgebaut werden konnte, liegt, so beklagte Schweizer, an den für
Privatinitiative unerschwinglichen Versicherungssummen für ausgestelltes
Kulturgut. Sollen sich nicht "öffentliche Stellen" da mit ihren Mitteln
einschalten?
Erwähnt werden mußte, da man vom Keramischen sprach, das Kannebäcker Ländchen,
Höhrgrenzhausen, im Lande Rheinland-Pfalz. Es kamen Kriterien für das Urteil
über die Keramik-Schöpfungen zum Ausdruck, man sah in Schweizers Erläuterungen
den "Wettbewerb der Glasuren" vor sich, die neu erstandenen alten Ornamente der
Volkskunst längst vergangener Zeiten, die interessanten Ritzmuster und anderes
mehr.
"Das gestaltende Handwerk"
Seinen Stolz auf das "noch gestaltende Handwerk" äußerte Dr. Kahrmann, der die
Grenzen zwischen Kunst und Handwerk als "fließend" bezeichnete und die
"eminenten Leistungen der Länder und Organisationen" zur Förderung
kunsthandwerklichen Schaffens hervorhob.
Das gediegene Handwerk dürfe nicht dem Industriellen erliegen, und wie man dies
anstreben könne, zeige eben Herma Blums "hervorragendes Beispiel einer
großartigen Leistung individuellen Kunsthandwerks". In jeder Großstadt könne
sich diese Ausstellung sehen lassen. Für Ahlen hoffe er, so schloß Kahrmann, es
werde Herma Blums Schaffen "nun auch wirklich honoriert".
Schlichten Dank sagte dann Herma Blum selbst: An "studio"-Initiator
Goldschmiedemeister Werner Fischer und seine Frau und an alle, die mitgeholfen
haben: "Alles Gute soll zu ihnen zurückfließen."
Anfang September wird im gleichen "studio 18", so war jetzt schon zu erfahren,
ein namhaftes Bankinstitut zusammen mit der Lufthansa eine Thailand-Ausstellung
zeigen.
G.D.
Bericht "Die Glocke" vom 17./18. Juli 1965