Ausstellung im "studio 18"
Norbert Gerd Hartmann
Mischtechniken, Tuschen, Wachspastelle
10.Juni- 10. Juli 1965
Als Künstler mit Ahlen verbunden
Norbert G. Hartmann stellt im "studio 18" aus
Ahlen, Seine Mutter wurde in Ahlen geboren, Schwester des hochgeachteten Gerhard
Faust, Schornsteinfegermeister seines Zeichens und Vater sowohl des
Bürgermeisters Herbert wie auch des Architekten Werner, die beide in ihrer
Vaterstadt in Amt und Würden sind. Ihr Vetter also ist Norbert Gerd Hartmann,
Meister der Mischtechniken, Tuschen und Waschpastelle, in Stuttgart als Maler
und Grafiker tätig. Er zeigt vom 10. Juni bis zum 10. Juli seine Arbeiten im
Ahlener "studio 18".
Am Donnerstag, dem 10. Juni, 19 Uhr, wird Bürgermeister Linnemann diese erste
Ausstellung bildender Kunst, für welche die "Glocke" mehrfach das "studio" als
ebenfalls vorzüglich geeignet empfohlen hat, eröffnen. Zahlreiche Gäste sind
geladen. Die heimische Oeffentlichkeit wird dann einen Monat lang die
Gelegenheit haben, den Bruder des Ahlener Zahnarztes Dr. Willi Hartmann als
Künstler kennenzulernen. Diese Möglichkeit bot sich erst einmal, vor länger als
10 Jahren, bei der Eröffnung des Ahlener Stadttheaters: Damals waren Aquarelle
von Norbert G. Hartmann angekauft und ausgestellt worden.
Der Künstler, dem Ahlen die Aufmerksamkeit nicht versagen sollte, ist 1914 in
Dortmund geboren. Dort studierte er auch an der Kunstgewerbeschule bei Professor
Herricht, Er ging dann zur Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart zu
Professor Kolig und zur gleichrangigen Akademie in Königsberg, wo er sein Können
bei Professor Partikel vervollkommnete.
Seit 1938 lebt Norbert G. Hartmann als freischaffender Künstler in Stuttgart,
aber weite Studienfahrten haben ihn durch ganz Deutschland, durch Frankreich,
Italien, Holland, Spanien, Marokko und in die skandinavischen Länder ebenso wie
in die Schweiz geführt.
Seine Vorliebe gehört der Tafelmalerei jeder Thematik und Technik, der
Illustration, der Grafik, der Wandmalerei in viel Techniken, und auch
Glasfenster sind von ihm gestaltet worden. Er hat in Deutschland, in Paris und
in Italien erfolgreich ausgestellt.
Im Bundeshaus Bonn, in der Deutschen Bundesbank, bei Ländervertretungen und
Industriewerken sowie in deutschen wie ausländischen Privatsammlungen findet man
Arbeiten von Norbert G. Hartmann, der auch zum Vorstand des Stuttgarter
Künstlerbundes gehört und an der Dortmunder Volkshochschule mitarbeitet.
Von seinem weitgespannten Schaffensgebiet wird nach der Eröffnung der
Ausstellung mehr noch zu berichten sein. G. D.
Ein Bericht aus der "Glocke" von Gerd Dietz, vom 4. Juni 1965:
Ausstellung im "studio 18"
Ahlen. Der Dortmunder Künstler Norbert Gerd Hartmann, dessen Verwandte in Ahlen
wohnen, eröffnet am Donnerstag, 10. ]uni, eine Ausstellung seiner Werke im
"studio 18", Hellstraße. Bürgermeister Linnemann wird die Gäste während der
Eröffnungsfeier begrüßen. Die Ausstellung bleibt einen Monat in Ahlen.
Norbert G. Hartmann stellt bis zum 10. Juli aus:
Gemälde schmücken nun „studio 18"
Ahlen. Ein gut' Teil jenes originalen und herzhaft unbekümmerten
"Draufgängertums", das er selber, eigentlich gar nicht einmal so unzufrieden,
seinen frühen Lebens- und Schaffensjahren nachsagt, ist dem Maler und Grafiker
Norbert G. Hartmann geblieben. Es macht ihn, so empfand man bei der Eröffnung
seiner "studio-18"-Ausstellung am Donnerstagabend vor viel kunstinteressierten
Freunden, liebenswert und als knorrigen Westfalen, auch wenn er seit langem, der
gebürtige Dortmunder, nun in Stuttgart lebt und wirkt, nachweisbar kenntlich.
Daß und auf welche Weise Norbert G. Hartmann, Bruder des Ahlener Zahnarztes Dr.
Hartmann, mit der Stadt Ahlen verwandtschaftlich verbunden ist, hat die "Glocke"
in einer Vorankündigung zu dieser bemerkenswerten Ausstellung berichtet.
-Bürgermeister Heinrich Linnemann sprach davon in seiner gutorientierten
Eröffnungsrede im "studio 18", das mit geschickt gesetzten Stellwänden und
überlegt gehängten Bildern seine von uns früher schon erhoffte Eignung für solch
eine Gemäldedarstellung klar erwiesen hat.
Dem "studio"-Hausherrn, Goldschmiedemeister Werner Fischer, der Mitte Juli auch
der Ahlener Webkünstlerin Herma Blum seine intimen, zur konzentrierten
Betrachtung geradezu herausfordernden Räume bereitstellen wird, galt zu Recht
der Dank des Stadtoberhauptes, an dessen Seite u. a. auch Oberkreisdirektor Dr.
Löhr, Beigeordneter Heinrich Overesch und Stadtkämmerer Hase neben
Persönlichkeiten z. B. aus den Bereichen von Kunst, Erziehung, aber auch der
ernsthaften Justiz ihren Platz hatten. Der Frau Werner Fischers, die das
"studio" zum „Musentempel" voller Fleiß verwandelt hatte, sagte der Künstler
selber Gruß und Dank.
Man verstand sich gut, hochgewachsener, kerniger Maler und in Sachen "Publicity"
ebenso wie in der filigranen Goldschmiedekunst erfahrener junger Ahlener
Meister: Schließlich war auch Hartmanns Urgroßvater ein tüchtiger
Goldschmiedemeister. Väterlicherseits übrigens
ist Norbert G. Hartmann, dessen Mutter, wie berichtet, ein Ahlener Kind war, mit
Warendorf verbunden.
Das "Wagnis des freischaffenden Künstlers", das in dieser nunmehr dritten
Ausstellung seit der "studio"-Eröffnung deutlich wird, hob Bürgermeister
Linnemann gebührend hervor. Er und die zahlreichen Eröffnungs-Gäste freuten
sich, daß "Arbeiten der jüngsten Schaffenszeit Hartmanns" hier nun bis zum 10.
Juli zu sehen sind. "Unterwegs sein, sammeln und komprimieren", so zeichnete
treffend der Vorsitzende des Rates der Stadt die Vita des Künstlers. Vielen
Besuchern wünschte er künstlerischen Genuß.
Kollege für den Kollegen
Wer besser als Ahlens kunstkundiger Studienrat Hermann Schweizer hätte vom
Kollegen gebeten werden können, Einführendes vor diesen farbinteressanten Werken
der Mischtechnik, den Tuschen und besonders reizvollen Wachspastellen, die
fröhlich transparenten "japanischen" Glanz innehaben, den Gästen der
Eröffnungsstunde zu sagen!
Schweizer entledigte sich denn auch geziemend kollegial, jedoch ebenso ernsthaft
forschend seiner Aufgabe und dürfte Hartmanns künstlerisches Streben treffend
gedeutet haben. "Das, was ihm zufällt", habe auch dieser Kunstschaffende
angefaßt, aber es komme eben dabei stets darauf an, "was man daraus zu machen
versteht." Der Maler Norbert G. Hartmann habe sich dem „Kampf zwischen Hell und
Dunkel" gestellt, eine seltene Synthese von „Erlebtem und Gestalterischem aus
dem Spiel der Mittel" gefunden, den Menschen faszinierend hineingebettet in
"zerbröckelnde Landschaftskulissen" und in seinen farblichen Nuancen „klares
Bewußtsein von Wärme und Kühle" in erlebten Spannungsunterschiedlichkeiten zum
Ausdruck bringen können.
In der Tat macht das wohl am ehesten die Eigenart Hartmanns aus: „Seine Palette
bevorzugt — so hat es der Feuilleton-Chef der "Glocke", Dr. Ulrich Gehre, aus
Anlaß einer Dortmunder Hartmann-Ausstellung geschrieben — "die kräftigen,
leuchtenden Farben, die mitunter einen geradezu perlmutthaften Glanz
ausstrahlen. Diese intensive Farbigkeit, die die Transparenz der klassischen
Pleinairisten bewußt vermeidet, ist das untrügliche Kennzeichen Norbert G.
Hartmanns."
Studienrat Hermann Schweitzer |
Kunstbesuch des "club 64" im "studio 18"
Vor den Arbeiten des Malers Norbert G. Hartmann
Ahlen. Gründlicher noch als ohnehin bei der Eröffnungsfeier in der kollegialen,
aber auch kritisch-sachverständigen Untersuchung von Studienrat Schweizer vor
den Arbeiten des Malers und Grafikers Norbert G. Hartmann haben die Mitglieder
des "club
64", der aus der VHS-Arbeitsgemeinschaft "Presse" hervorgegangen ist, jetzt
diese Ausstellung im "studio 18" unter die Lupe genommen. Sie hatten dabei
zahlreiche Gäste, die diesen Abend nutzten, um aus den kleinen Dingen des
Alltags hinauszugelangen
zu der Betrachtung des Künstlerischen, das Licht in unser Leben zu bringen
geeignet ist.
Hermann Schweizer, selbst Maler von Eigenart und Begabung, vom Verlust der
gleichfalls künstlerisch schaffenden Gattin Ruda Schweizer-Dönges unlängst unter
Mitempfinden vieler Freunde hart getroffen, sagte vor Hartmanns Bildern mehr als
nur Erläuterndes. Er gab in manch unmißverständlicher Randbemerkung notwendigen
Hinweis auf verquere Entwicklungen der allzu satt gewordenen
Wirtschaftswunderwelt unserer Tage: "Praktisch beharren wir im fetten
Wohlstandsbürgertum, was die Kultur angeht, heute auf dem Stand von 1900." Am
Rande, so geißelt Schweizer das Abseitige, geschehe der "Ausverkauf der Kunst"
und selbst "München ist wenig mehr als nur noch ein Gerumpel".
Norbert G. Hartmann sei ein Künstler, so bekundet Schweizer, dessen Weg nicht
ausgetretene Pfade gehe. Er hat Ursprüngliches. Er setzt sich geistig
auseinander. Er sucht Natürliches wiederzufinden und zu vermitteln entgegen
mancherlei negativen Entwicklungen von heut' und morgen. Eigentlich setzt der
1896 geborene Norbert G: Hartmann, verwandtschaftlich mit Ahlen bekanntlich
verbunden, den Weg der Worpsweder Künstlerkolonie fort: Sie wollte die Bindung
des Menschen an die Landschaft deutlich werden lassen. Der daraus gewonnene
Kraftstrom werde, sagt Hermann Schweizer, bei Hartmann erkennbar. Seine
Farbvariationen vom kühlen Blau-Grün bis
zum warmen Rötlich-Gelb können faszinieren an diesen von der Ahlener
Kulturgesellschaft freundlich beigesteuerten Stellwänden.
Schweizer, dem alle Achtsamkeit der nahezu 40 Ausstellungsbesucher gehörte,
deutete Feinheiten der Hartmannschen Kompositionen, die Art seiner Verwendung
des Materials auf dem gewalzten, holzgeschöpften Papier, die Porträts in morbid
zerfallender Landschaft, die Bereitschaft zur künstlerischen Aussage, welche mit
technischer "Perfektion" nichts zu tun hat: „Geschicklichkeit allein ist
oberflächlich und verhindert sogar Künstlerisches." Man solle die modernen
Mittel der Werbung ("diese ekelhafte Fernsehwerbung zum Beispiel"!) nicht mit
Kunst verwechseln.
Hartmann liebt die freudig farbige Welt, aber er respektiert auch Stilles und
Intimes. In seinen Wachspastell-Arbeiten wird das Spiel mit dem Material
offenkundig: Der Rhythmus der Anordnung, der "gelenkte Zu-Fall", die Arbeit mit
dem farbigen Fleck, der Sinn in der strukturellen Ordnung, das teils abstrakte
Spiel zwischen Tempera und Aquarell und das Bemühen, um Einheit von Architektur
und Landschaft: „Da gibt es - wie das ,Steilufer' - köstliche Blätter von echter
künstlerischer Qualität.
Allgemeiner Wunsch derer, die Hermann Schweizer dankbar folgten: Eine
Ausstellung mit Werken seiner Frau! Eine Fritz-Winter-Ausstellung für den Herbst
bereitet Hermann Schweizer vor. Mitte Juli wird im "studio 18" die Webkünstlerin
Herma Blum Einblick in ihr Schaffen geben. Amateur-Fotografien von Mitgliedern
des "club 64" aus ihrem Urlaub sollen gleichfalls im Herbst im „studio 18"
gezeigt und prämiiert werden.
G. D.
Bericht aus der "Glocke" vom 21. Juni 1965, Fotos von Gerd Dietz